Nachtrag nach VOB: Grundlagen, Anforderungen & Tipps für eine rechtssichere Abwicklung

Nachträge gehören zum Baualltag – ob durch Planänderungen, zusätzliche Leistungen oder unerwartete Umstände. Die VOB/B bietet klare Regeln, wie solche Änderungen vergütet werden können. Wer sie kennt und sauber dokumentiert, sichert Zeit, Geld und rechtliche Klarheit.

1. Das Wichtigste auf einen Blick

Die zentralen Fakten zum Nachtragsmanagement nach VOB zusammengefasst:

  • Nachträge entstehen, wenn sich der vereinbarte Leistungsumfang während der Bauausführung ändert.
  • Die VOB/B regelt in § 2, wie geänderte oder zusätzliche Leistungen rechtlich zu behandeln sind.
  • Ohne schriftliche Anzeige oder Dokumentation droht der Verlust des Vergütungsanspruchs.
  • Klare Kommunikation und fundierte Kalkulation sind die Basis für eine reibungslose Abwicklung.
  • Ein strukturiertes Nachtragsmanagement spart Zeit, reduziert Konflikte und schützt die Wirtschaftlichkeit des Projekts.

2. Was ist ein Nachtrag gemäß VOB?

Ein Nachtrag nach VOB/B ist eine nachträgliche Änderung des vereinbarten Leistungsumfangs, die eine Anpassung der Vergütung erforderlich macht. Rechtsgrundlage ist § 2 Abs. 3–7 VOB/B. Dort werden je nach Situation unterschiedliche Fälle geregelt:

  • § 2 Abs. 3: Wird der Entwurf oder die Ausführung geändert, erfolgt eine Preisanpassung auf Basis der ursprünglichen Kalkulation.
  • § 2 Abs. 5: Zusätzliche Leistungen, die nicht im Vertrag enthalten sind, können vergütet werden – vorausgesetzt, es erfolgt rechtzeitig ein entsprechender Hinweis.
  • § 2 Abs. 6: Leistungen ohne schriftlichen Auftrag sind nur dann vergütungspflichtig, wenn sie genehmigt oder offensichtlich gewünscht waren.
  • § 2 Abs. 7: Bei Mehrmengen ist zu prüfen, ob eine Anpassung gerechtfertigt ist.

Praxisbeispiel:
Statt Standardfenstern sollen bodentiefe Modelle eingebaut werden. Die Änderung fällt unter § 2 Abs. 3. auf Grundlage der ursprünglichen Einheitspreise wird ein Nachtragsangebot erstellt.

3. Was ist ein Nachtragsangebot?

Ein Nachtragsangebot ist ein formelles Schreiben zur Anpassung der Vergütung, wenn sich der Leistungsumfang während der Bauausführung ändert. Es basiert auf der VOB/B und ist die Grundlage für eine transparente und rechtssichere Abwicklung von Nachträgen.

Typische Inhalte:

  • Beschreibung der betroffenen Leistung
  • Begründung der Änderung (z. B. Planabweichung, Zusatzwunsch)
  • Bezug zum ursprünglichen Vertrag
  • Kalkulation der Kostenänderung
  • Angabe möglicher Terminverschiebungen
  • Relevante Unterlagen (Pläne, Protokolle, Aufmaße)

Ziel:
Das Angebot soll eine nachvollziehbare Entscheidungsgrundlage für die beauftragende Seite schaffen: Welche Änderung steht an – und was kostet sie?

Form & Fristen:

  • Immer schriftlich einreichen, idealerweise mit Verweis auf die passende VOB-Regelung
  • Änderungen oder Zusatzleistungen rechtzeitig anzeigen
  • Bei Sofortmaßnahmen: spätere Nachreichung möglich, wenn belegt (§ 2 Abs. 6 VOB/B)

4. Unterschied BGB vs. VOB bei Nachträgen

Ob ein Bauvertrag nach VOB/B oder BGB abgeschlossen wurde, hat großen Einfluss auf den Umgang mit Nachträgen. Beide Regelwerke ermöglichen Leistungsänderungen, unterscheiden sich aber deutlich in der praktischen Umsetzung und Vergütung.

  • Nachträge im VOB-Vertrag 
    Die VOB/B (§ 2 Abs. 3–7) regelt Änderungen flexibel. Anpassungen können auch während der Ausführung erfolgen, selbst ohne schriftliche Anordnung – sofern die Änderung erkennbar gewollt oder nachträglich genehmigt wurde. Die Vergütung richtet sich in der Regel nach den bestehenden Einheitspreisen oder wird neu kalkuliert.
  • Nachträge im BGB-Vertrag 
    Das BGB (§ 650b/c) verlangt eine schriftliche Anordnung und sieht eine neue Vergütung auf Basis tatsächlicher Kosten plus Zuschlag vor. Erfolgt keine Einigung innerhalb von 30 Tagen, kann unter Umständen ein Vorschuss gefordert oder der Anspruch gerichtlich geltend gemacht werden.

Praxisrelevanz 
VOB-Verträge gelten als praxisnäher und ermöglichen schnellere Entscheidungen bei Änderungen. Das BGB bietet mehr rechtliche Klarheit, bringt jedoch einen höheren Abstimmungsaufwand mit sich.

5. Nachtragsarten gemäß VOB

Nicht jeder Nachtrag ist gleich – die VOB/B unterscheidet je nach Auslöser und rechtlicher Grundlage verschiedene Arten. Die wichtigsten Fälle sind in § 2 Abs. 3, 5 und 6 geregelt.

  1. Geänderte Leistungen (§ 2 Abs. 3) 
    Wenn sich Planungen oder Ausführungsdetails während der Bauzeit ändern – ohne dass neue Leistungen hinzukommen –, wird die Vergütung angepasst. 
    Beispiel: Statt Standardfliesen werden größere Platten gewünscht. Der Aufwand steigt, daher ist eine Preisanpassung zulässig.
  2. Zusätzliche Leistungen (§ 2 Abs. 5) 
    Leistungen, die ursprünglich nicht vereinbart waren, müssen schriftlich beauftragt werden. Nur dann besteht Anspruch auf zusätzliche Vergütung. 
    Beispiel: Nachträglicher Einbau von Einbauschränken oder Technikanschlüssen. Wichtig: Vor Ausführung muss auf die Vergütungspflicht hingewiesen werden.
  3. Leistungen ohne Auftrag (§ 2 Abs. 6)
    Wer Leistungen ohne ausdrücklichen Auftrag ausführt, kann nur dann eine Vergütung verlangen, wenn diese nachträglich genehmigt oder offensichtlich gewollt waren. 
    Beispiel: Eine mangelhafte Abdichtung wird eigenständig verbessert und später akzeptiert – das kann abrechnungsfähig sein.

6. Nachtragsangebot erstellen – Schritt für Schritt

Ein gut strukturiertes Nachtragsangebot ist entscheidend für eine reibungslose und rechtssichere Abwicklung. Damit es akzeptiert wird, sollte es klar, vollständig und nachvollziehbar sein.

  1. Nachtragsgrund klären: Planänderungen, Zusatzwünsche oder unvorhergesehene Umstände müssen dokumentiert und begründet werden – z. B. mit Protokollen oder Plänen.
  2. Schriftliche Anzeige: Vor Ausführung sollten Auftraggeber:innen schriftlich über die Änderungen informiert werden – besonders wichtig bei Nachträgen nach § 2 Abs. 5 VOB/B.
  3. Kalkulation erstellen: Die Vergütung wird entweder auf Basis bestehender Einheitspreise oder neu kalkuliert. Grundlage: Lohn, Material, Geräte, Gemeinkosten, Wagnis & Gewinn.
  4. Angebot formulieren: Das Nachtragsangebot enthält eine klare Leistungsbeschreibung, Begründung, Preisermittlung, ggf. Pläne oder Skizzen – und verweist auf die passende VOB-Regelung.
  5. Zeitnah Angebot einreichen: Das Angebot sollte zügig nach Feststellung des Nachtragsgrundes eingereicht werden – unnötige Verzögerungen erschweren die Freigabe.
  6. Freigabe abwarten: Die Ausführung sollte erst nach schriftlicher Zustimmung oder eindeutiger Duldung durch die Auftraggeber:innen beginnen – sonst droht der Verlust des Vergütungsanspruchs.

7. Muster & Vorlagen für Nachträge

Ein gut strukturiertes Nachtragsangebot spart Zeit, sorgt für Klarheit – und erhöht die Chance, dass der Nachtrag ohne lange Diskussionen akzeptiert wird. Damit Auftragnehmer:innen professionell und rechtssicher auftreten können, sind standardisierte Muster und Vorlagen eine wertvolle Hilfe. Sie dienen als Orientierung und lassen sich mit wenigen Anpassungen projektbezogen individualisieren.

Muster: Nachtragsangebot 

Betreff: Nachtragsangebot Nr. 03 – Geänderte Ausführung Bodenbelag (VOB/B § 2 Abs. 3) 
Projekt: Erweiterung Grundschule Musterstadt
Leistungsbeschreibung:
Statt der ausgeschriebenen Bodenfliesen Typ A sollen gemäß Änderungsanordnung vom 10.05.2025 großformatige Feinsteinzeugplatten Typ B verlegt werden. 
Begründung des Nachtrags:
Die Änderung erfordert geänderte Arbeitsmethoden, verändertes Schneid- und Verlegewerkzeug sowie zusätzliche Zeitaufwände aufgrund höherer Materialempfindlichkeit.
Kalkulation:
Basierend auf den Einheitspreisen des LV sowie neu kalkulierten Positionen (siehe Anlage) ergibt sich eine Mehrvergütung in Höhe von 4.870,00 € netto.
Terminauswirkungen:
Durch die Umstellung verlängert sich der Ausführungstakt für die Bodenarbeiten um voraussichtlich 3 Werktage.

Anlagen:

  • Kalkulationsblatt
  • Grundriss EG, markierte Flächen
  • Änderungsanordnung AG vom 10.05.2025

Mit freundlichen Grüßen 
Max Mustermann,
Bauunternehmen Musterbau GmbH

Muster: Begleitschreiben zum Nachtragsangebot

Sehr geehrte Damen und Herren,

anbei übersenden wir Ihnen unser Nachtragsangebot Nr. 03 zur geänderten Ausführung der Bodenbelagsarbeiten gemäß Ihrer Anordnung vom 10.05.2025.
Wir bitten um kurzfristige Prüfung und schriftliche Freigabe zur weiteren Bearbeitung. Bei Fragen zur Kalkulation oder Terminplanung stehen wir Ihnen jederzeit zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
Max Mustermann
Musterbau GmbH

Hinweise zur Anpassung:

  • Projektbezug: Immer den konkreten Projektnamen, Leistungsort und relevante Planunterlagen angeben.
  • Nachtragsgrund klar benennen: Mit Verweis auf die zutreffende VOB-Regelung (z. B. § 2 Abs. 3, 5 oder 6).
  • Kalkulation transparent gestalten: Auch Laien verständlich erklären, wie sich der Nachtrag zusammensetzt.
  • Belege beifügen: Pläne, Fotos, Protokolle oder Anordnungen als Anhang einbinden – das schafft Vertrauen.

8. Häufige Fehler & Tipps aus der Praxis

Nachträge sind Alltag auf der Baustelle – führen aber oft zu Verzögerungen und Streit, wenn sie nicht sauber abgewickelt werden. Hier die häufigsten Fehler und wie man sie vermeidet:

  • Unklare Leistungsbeschreibung: Vage Angaben sorgen für Rückfragen. 
    Tipp: Immer konkret beschreiben, was geändert wird, warum und in welchem Umfang – ideal mit Plänen oder Fotos.
  • Kein Verweis auf VOB-Paragrafen: Fehlt der Bezug zu § 2 Abs. 3, 5 oder 6, ist unklar, worauf sich der Nachtrag stützt. 
    Tipp: Die Rechtsgrundlage immer benennen, um Akzeptanz und Rechtssicherheit zu erhöhen.
  • Fristversäumnisse: Wer zusätzliche Leistungen ohne rechtzeitigen Hinweis ausführt, riskiert Vergütungsverlust. 
    Tipp: Änderungen immer vorab schriftlich anzeigen – auch mündliche Absprachen nachträglich bestätigen.
  • Unklare Kalkulation: Pauschale Beträge ohne Begründung werden häufig abgelehnt.
    Tipp: Preise klar ableiten – bei Bedarf Einzelkosten mit Begründung offenlegen.
  • Fehlende Dokumentation: Ohne Belege (z. B. Anordnung, Protokoll) ist ein Nachtrag schwer durchsetzbar. 
    Tipp: Alle Nachtragsgründe systematisch dokumentieren und archivieren.

Fazit: Wer präzise beschreibt, rechtzeitig informiert, klar kalkuliert und sauber dokumentiert, bringt Nachträge sicher zum Ziel.

Fazit

Nachträge sind kein Sonderfall, sondern Teil des Baualltags – und entscheidend für eine strukturierte und wirtschaftlich erfolgreiche Projektabwicklung. Wer die VOB/B kennt, Nachtragsgründe richtig einordnet und sorgfältig dokumentiert, schafft die Basis für Klarheit und Fairness im Bauprozess.

Kurz gesagt: Wer strukturiert vorgeht, reduziert Risiken – und stärkt das Vertrauen im Projektablauf.

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